Gestern war ich wie schon des öfteren mit den Schafhirten unterwegs. In diesem Dorf jedoch das erste mal. Wir wurden sofort freundlich empfangen.
Es waren drei Männer voll jugendlicher Energie. Ich wunderte mich, dass wir uns mit den Schafen nicht weit vom Dorf entfernten. Wieso sind wir hier? Hier sind die Menschen doch in Sicherheit. Das Settlement ist so weit weg. Wir hatten eine lustige Zeit. Fotoshooting war angesagt. Noch eines und noch eines. Sie konnten nicht genug bekommen.
Doch dann zeigte einer in Richtung Susiya Settle-ment. Dort tauchte eine Schafherde auf, gefolgt von einem Schäfer mit drei Hunden. Ich fragte mich, wo ist die Grenze zwischen Settlement und diesem Dorf. Es gab keine Anhalts-punkte in der Landschaft.
Der Schäfer kommt in großem Bogen, aber zielstrebig in unsere Nähe. Was will er? Warum weidet er hier? Will er die Konfrontation? Ja, zu der kam es auch. Plötzlich standen sich die Schäferhunde gegenüber, dann die Männer. Zum Glück waren die plästinensischen Schäfer in der Überzahl und keine Soldaten in der Nähe. Der Siedler zog mit seinen Hunden und Schafen wieder ab.
Später erfuhr ich, dass die Strasse zum Wachturm eine sogenannte Grenze war. Die wurde vom Siedler deutlich und bewusst über-schritten und setzte so ein Zeichen: “auch dieses Land gehört mir”.
Erstaunt war ich, mit welcher Ruhe aber Entschlossenheit die Männer reagierten. Auch nachher spürte ich zwar die Erregung, aber keinen Hass.
Ich war überrascht, wieviel Land das Settlement beansprucht und habe nachgefragt, wie die Siedler zu diesem Land kommen.
Unser Hausvermieter und unser Fahrer stammen aus der uralten plästinensischen Siedlung Susiya. Sie hatten sogar Bsitzdokumente aus der osmanischen Zeit. Nicht alle können den Besitz so nachweisen. Trotzdem wurden sie aus ihrem Dorf vertrieben, da sich unter ihrer Mosche Mauerreste einer alten Synagoge befanden und das
Land zum historischem Sperrgebiet erklärt wurde. Dann wurde in der Nähe ein Militärstützpunkt errichtet. Rund um den Stützpunkt eine Sicherheitszone. In dieser Sicherheitszone stellten einige Siedler ihre Kontainer auf. Die Siedlung wuchs an und mit ihr die Sicherheitszone.
Die Bewohner des Dorfes bekamen weder Schadenersatz für das verlorene Land, noch eine Bauerlaubnis für neue Häuser. Sie blieben trotzdem auf dem Land und bauten ihre Wohnstätten in der Nähe wieder auf. Für alle diese Behausungen, den Häuser kann man sie nicht nennen, wurde vom Militär eine “Demolition Order” ausgestellt, können also jederzeit zerstört werden. Viele wurden auch dem Erdboden gleich gemacht, ebenso Zisternen, Olivenbäume und Weinstöcke. So leben im Dorf trotz hoher Geburtenraten noch etwa halb so viel Bewohner wie vor 30 Jahren. Das für sie nutzbare Land ist aber so geschrumpft, dass es als Lebensgrundlage auch für diese kleine Gruppe kaum mehr reicht.
Der Zynismus mit dem das geschieht wird sichtbar, wenn man sieht, dass zu jedem noch so kleinen illegalem israelischen Outpost Wasser und Strom geleitet und die Strassen asphaltiert werden. Die Leitungen und Strassen führen über die Grundstücke der Palästinenser, oft direkt an ihren Häusern vorbei, sie selbst haben keinen Zugang zu dieser Versorgung.
Die Bewohner dieser Siedlung versuchten eine Stromleitung zum nahe gelegenen Nachbardorf in Area A zu verlegen. Sie wurde von der Armee zerstört. Die Militärbehörde ist für die Genehmigung zuständig und wird diese auch nicht ausstellen, da die Siedlung ja illegal ist, (nach israelischem Recht) ganz im Gegenteil zu den illegalen israelischen Outposts.
Das letzte mal habe ich euch von dem kleinen Dorf Bir al ‘Idd berichtet. Es war einmal ein Dorf. Jetzt lebt dort nur noch eine Familie. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch diese Familie aufgibt.
So geschieht hier ganz still und leise Vertreibung und Landnahme.